Wer sich mit der Qualität der Geburtsmedizin beschäftigt, stößt unweigerlich auf verstörende Berichte. Immer wieder sind Gebärende die Leidtragenden von Kreißsaalschließungen, überlasteten Ärzten und dem zunehmenden Hebammenmangel. Umso wichtiger ist es, dass Schwangere ihre Rechte kennen und sie im Ernstfall auch verteidigen. Die wichtigsten zeigen wir dir in diesem Artikel.
Würdevolle Behandlung
Das Recht auf die Wahrung der Menschenwürde ist nicht nur in den Grundrechten verankert, sondern auch oberster Behandlungsgrundsatz in der Berufsordnung für Deutsche Ärzte.
So gebietet die Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte §7 I:
Jede medizinische Behandlung hat unter Wahrung der Menschenwürde und unter Achtung der Persönlichkeit, des Willens und der Rechte der Patientinnen und Patienten, insbesondere des Selbstbestimmungsrechts, zu erfolgen. Das Recht der Patientinnen und Patienten, empfohlene Untersuchungs- und Behandlungsmaßnahmen abzulehnen, ist zu respektieren.
Wahl des Geburtsortes
(§ 24f SGB V Entbindung)
Je nachdem, wo du dich am sichersten fühlst, hast du das Recht, dich zu entscheiden, ob deine Geburt durch eine Hebamme und Arzt im Krankenhaus oder eine freiberufliche Hebamme (Geburtshaus, Hausgeburt oder Beleggeburt) geleitet werden soll.
Du darfst stationär oder ambulant entbinden. Auch im Krankenhaus darfst du also nach der Geburt nach Hause gehen, wenn du das möchtest.
Trugschluss Wahlfreiheit
Per Gesetz hast du zwar die freie Wahl, dennoch finden viele Schwangere keine freie Hebamme, die ihre Geburt leitet.
„In einigen Regionen Deutschlands können Schwangere nicht mehr frei entscheiden, wo sie ihr Kind zur Welt bringen möchten – weil die klinische Geburtshilfe auf wenige Krankenhäuser zentralisiert wurde oder die freiberufliche Geburtshilfe weggefallen ist, haben die Frauen keine Wahlfreiheit.“ mahnt der Deutsche Hebammenverband e.V.
Um ihr Recht einzufordern, sind betroffene Eltern gefragt. Der Hebammenverband bietet Möglichkeiten, sich Gehör zu verschaffen. Schwangere könnten ihr Recht auf eine Hebamme sogar einklagen, das im 5. Sozialgesetzbuch § 24c und 24d und f verankert ist.
Wenn du keine Hebamme findest, kannst du dich aber zunächst an deine Krankenkasse wenden. Sie hat ein Register und kann mitunter noch eine Hebamme vermitteln.
Weitere Einschränkungen bei der Wahl des Geburtsortes
Nicht immer können Schwangere uneingeschränkt entscheiden, welche geburtshilflichen Leistungen sie beanspruchen möchten.
Darf ein Krankenhaus eine Schwangere ablehnen?
In Notfällen besteht grundsätzlich eine Behandlungspflicht der Ärzte, das gilt auch für die Geburt. Ob ein medizinischer Notfall vorliegt, liegt allerdings im Ermessen der aufnehmenden Ärztin. Handelt es sich nicht um einen Notfall, kann die Behandlung unter Umständen abgelehnt werden.
Wenn das Krankenhaus bei der Weiterverweisung in eine andere Klinik gegen fachärztliche Standards verstößt und der Schwangeren oder dem Kind ein Schaden entsteht, steht ihr Schadensersatz zu. Das schließt auch Schäden durch psychische Belastung ein.
Öffentliche Krankenhäuser müssen Schwangere aufnehmen
Der Versorgungsvertrag der Gesetzlichen Krankenversicherungen verpflichtet die öffentlichen Krankenhäuser zur Aufnahme aller gesetzlich Versicherten. Privat Versicherte können darüber hinaus Privatkliniken aufsuchen.
Trotzdem musste im Jahr 2017 bereits jede dritte Geburtsklinik Schwangere aus Kapazitätsgründen abweisen. Sind die Kreißsäle überfüllt, Ärzte überlastet und fehlt es an Hebammen, darf eine Klinik die Aufnahme der Schwangeren verweigern.
Ob die Abweisung gerechtfertigt ist, ist stets eine Einzelfallentscheidung.
Ablehnung durch die Hebamme
Hebammenberufsordnung – HebBO §3
Trotz freier Wahl haben manche Risikoschwangere es schwer, außerhalb von Krankenhäusern zu entbinden. Die Hebamme oder der Geburtshelfer muss eine Ärztin hinzuziehen, wenn die Geburt „regelwidrig“ (also nicht normgerecht) verläuft. Auch bei Komplikationen unter der Geburt muss sie ärztliche Hilfe anfordern.
In der Praxis sieht es meist so aus, dass die Hebamme die Schwangere untersucht und das Risiko individuell bewertet. Hält sie es für wahrscheinlich, dass die Schwangere unter der Geburt ins Krankenhaus verlegt werden muss, lehnt sie die Behandlung ab. Schätzt sie das Risiko für Komplikationen gering ein, führt sie die Geburt durch.
Außer im Notfall steht es der Hebamme und dem Entbindungspfleger frei, eine Betreuung abzulehnen.
Behandlungsvertrag und Patientenrechte
Wenn eine Ärztin, eine Hebamme oder ein Krankenhaus dich zur Behandlung aufnehmen, dann kommt ein sogenannter Behandlungsvertrag zustande. Dieser regelt die allgemeinen Rechte und Pflichten der Parteien, welche im Patientenrechtsgesetz verankert sind.
Patientenrechte aus dem Patientenrechtsgesetz
- Alle wichtigen Maßnahmen müssen Dokumentiert werden (Patientenakte).
- Patienten oder deren Beauftragte dürfen diese Unterlagen kopieren.
- Die Patientin muss einwilligen, wenn Informationen an Dritte weitergegeben werden.
- Die Patientin hat das Recht bei falscher Behandlung Beschwerde einzulegen und Schadensersatz bzw. Schmerzensgeld zu verlangen.
- Auf Wunsch unterstützen die gesetzlichen Krankenkassen die Patientin bei ihrer Beschwerde.
- Freie Arzt- und Krankenhauswahl unter den Vertragsärzten (Kassen).
- Nur staatlich zugelassene Arzneien dürfen verschrieben werden.
- Patientinnen dürfen selbst über den Umfang ihrer Behandlung bestimmen und dürfen lebensverlängernde Maßnahmen ablehnen.
- Behandler müssen Patientinnen über die Heilungschancen und Behandlungsrisiken der Methoden aufklären. Ein Recht auf Heilung ergibt sich daraus nicht.
- Wenn der Patientin Kosten entstehen, müssen die Behandelnden ebenfalls darüber aufklären.
Hier findest du den Gesetzestext.
Aufklärung & Information
Ein Fokus im Patientenrecht liegt im Recht auf Information und Aufklärung mit dem Ziel, eine selbstbestimmte Entscheidung zu ermöglichen. Das bedeutet, dass ein Behandler seine Patientin umfassend über die geplanten Maßnahmen, deren Risiken, Chancen und Alternativen aufklären muss. Die Aufklärung muss im Gespräch und rechtzeitig vor der Maßnahme (nicht, wenn du schon unter Schmerzen oder dem Einfluss von Medikamenten stehst) erfolgen. Wobei der Begriff rechtzeitig abhängig von der Dringlichkeit ist.
Tipp: Anmeldung vorab
Um dem Krankenhaus die Möglichkeit zu geben, dich rechtzeitig aufzuklären, solltest du dich bei einem Vorgespräch anmelden. Schreibe dir dazu einen Geburtsplan und trage alle Punkte, die dir wichtig sind vor.
Es gibt zwei Ausnahmen für die Aufklärungspflicht: akute Notfälle und der Verzicht auf die Aufklärung seitens der Patientin.
Ob ein akuter Notfall vorliegt, ist eine Einzelfallentscheidung. Eine lange Geburt beispielsweise ist kein akuter Notfall. Verschlechtern sich in der Folge die Herztöne des Babys drastisch, tritt der Notfall ein.
Einwilligung in die Behandlung
Jede medizinische Maßnahme bedarf deiner Einwilligung (BGB § 630d). Und so darfst du auch eine medizinisch notwendige Maßnahme ablehnen. Es ist deine Entscheidung. Wenn du aufgrund deiner geistigen oder körperlichen Verfassung nicht zu einer Entscheidung in der Lage bist, soll der Behandelnde die Einwilligung eines Berechtigten (z.B. deines Partners) einholen.
Ein Arzt darf nur dann auf die Einwilligung verzichten, wenn du nicht mehr einwilligungsfähig bist und er keine Einwilligung eines Berechtigten erhalten kann. Er muss dann in deinem mutmaßlichen Willen handeln.
Eine Einwilligung ist übrigens nur dann rechtswirksam, wenn du vorher ausreichend aufgeklärt wurdest.
Übrigens darfst du deine Einwilligung jederzeit zurückziehen oder nachholen. Nur weil du vor der Geburt keine Schmerzmittel wolltest, heißt das nicht, dass du dich nicht umentscheiden darfst.
Tipp: Besprich deine Wünsche mit deinem Geburtsbegleiter
Es kann passieren, dass du unter der Geburt nicht mehr in der Lage bist, deine Wünsche klar zu äußern. Aus diesem Grund sollte dein Partner oder die Person, die dich begleitet, genau darüber Bescheid wissen, was dir wichtig ist. So kann er wichtige Entscheidungen mittragen und für dich sprechen. Mit einer Patientenverfügung besteht dafür Rechtssicherheit.
Bedenke dabei, dass die Ärzte natürlich auch im Sinne des Kindeswohls handeln. Ein Wunsch wie „auf keinen Fall einen Kaiserschnitt“ ist daher rechtlich schwierig. Wenn ihr nicht verheiratet seid und dein Partner nicht das Sorgerecht hat, sollte auch geklärt werden, ob er im Notfall Entscheidungen für dein Baby treffen darf.
Einsicht in die Patientenakte
Für Gebärende ist es oft schwierig, bestimmte Entscheidungen des medizinischen Personals nachzuvollziehen – gerade, wenn sich diese instinktiv falsch anfühlen. Um rückblickend deinen Geburtsverlauf und die Entscheidungen der Geburtshelfer verstehen zu können, kannst du deinen Geburtsbericht anfordern.
Krankenhäuser legen umfangreiche Berichte über jede Geburt an. Diese enthalten Aufzeichnungen der Hebammen zum Geburtsverlauf und zu Interventionen, Informationen zum Geschehen im OP sowie alle Daten und Messungen, inklusive der CTG-Aufzeichnungen.
So forderst du den Geburtsbericht an
Als Patientin ist es dein gutes Recht, diesen Bericht anzufordern (§ 630g Einsichtnahme in die Patientenakte). Es genügt, den Bericht mündlich anzufordern. Allerdings geben Krankenhäuser die Berichte oft nur zögerlich heraus. Daher solltest du deine Anfrage am besten gleich schriftlich formulieren. Achte auf die genaue Formulierung. „Geburtsbericht“ ist eine umgangssprachliche Formulierung, mit der du möglicherweise nur einige Notizen erhalten wirst. Frage daher konkret nach deiner „Patientenakte“ oder „den vollständigen Behandlungsunterlagen“.
Du kannst auch konkret aufschreiben, welche Informationen aus deiner Patientenakte du benötigst: das Partogramm mit Informationen zum Geburtsverlauf, CTG-Aufzeichnungen oder auch Informationen zu Kontrolluntersuchungen in der letzten Schwangerschaftswoche.
Eine Vorlage zum Ausdrucken findest du hier.
Patientenakten sind Beweismittel
Deine Patientenakte muss gemäß § 10 Abs. 3 Berufsordnung (BO) nach Abschluss der Behandlung 10 Jahre lang aufbewahrt werden. Wenn du innerhalb dieser Frist Probleme bei der Beantragung hast und deine eigenen Versuche fehlschlagen, kann die kassenärztliche Vereinigung weiterhelfen.
2015 fragte die Stiftung Warentest 15 Patientenakten an. Nur drei von ihnen waren vollständig und gut lesbar. Die Patientenakte ist dein Beweisstück, wenn du einen Behandlungsfehler vermutest. Diesen Fehler musst du belegen. Ist die Krankenakte jedoch lückenhaft, schreibt die Stiftung, „liegt die Beweispflicht beim Arzt. Dann gilt im Zweifel: Was nicht dokumentiert ist, ist auch nicht geschehen.“
Wohin kann ich Beschwerde richten?
Wenn du unzufrieden mit den Abläufen, den Klinikstandards oder der medizinischen und persönlichen Behandlung bist, kannst du dich beschweren. Deine Beschwerde ist ein wertvolles Feedback und Instrument für die Qualitätssicherung.
Die erste Anlaufstelle für Beschwerden in Verbindung mit einem Krankenhausaufenthalt sind Patientenfürsprecher oder die Beschwerdestelle der Einrichtung. Patientenfürsprecher arbeiten ehrenamtlich und krankenhausunabhängig. Sie unterliegen der Schweigepflicht und helfen dir, deine Beschwerde unbürokratisch vorzubringen und zu klären.
Wenn du auf diesem Weg nicht weiter kommst, kannst du dein Anliegen zusätzlich der Krankenkasse vortragen. Wenn dir ein Behandlungsfehler widerfahren ist, während du eine Versicherungsleistung einer gesetzlichen Krankenkasse in Anspruch genommen hast, ist diese verpflichtet, dich kostenlos bei der Verfolgung von Schadensersatzansprüchen zu unterstützen.
Warst du zufrieden mit deinem Krankenhausaufenthalt oder hast eine besonders hochwertige und zuvorkommende Behandlung erfahren? Auch konstruktives Lob ist ein wertvolles Feedback für deine Geburtseinrichtung. Und natürlich freuen sich auch Ärzte, Hebammen und Pflegepersonal über die Anerkennung.
Rechtsberatung
Wenn deine Rechte verletzt wurden, ist die unabhängige Patientenberatung eine gute Anlaufstelle für die erste Beratung. Wenn dir ein Schaden entstanden ist, erhältst du hier Informationen über deine rechtlichen Möglichkeiten, um Schadensersatz oder Schmerzensgeld zu fordern.
Unabhängige Patientenberatung Deutschland UPD
- Onlineberatung: https://patientenberatung.de/beratungsangebot/
- Patiententelefon: 0800 / 011 77 22 (gebührenfrei)
Infos zur Erreichbarkeit
Weiterführende Links:
- Ratgeber für Patientenrechte der Bundesregierung
- Initiative Gerechte Geburt gegen Gewalt in der Geburtshilfe
- 8 Tipps für eine Traumgeburt im Krankenhaus
Quellen
- Familienplanung.de, Geburtskomplikationen:
https://www.familienplanung.de/schwangerschaft/geburt/komplikationen/geburtskomplikationen/#c3890 (abgerufen am 24. Juli 2019) - Stiftung Warentest, Einsicht in die Patientenakte: Wie Sie ihr Recht durchsetzen: https://www.test.de/Einsicht-in-die-Patientenakte-Wie-Sie-Ihr-Recht-durchsetzen-4885007-4885012/ (abgerufen am 24. Juli 2019)
- Juramama, Deutschen Frauen werden die Hebammen gestrichen:
https://www.juramama.de/2014/02/18/deutschen-frauen-werden-die-hebammen-gestrichen/ (abgerufen am 24. Juli 2019) - Smartmama, Mamas, darauf habt ihr Anspruch: Alle Hebammenleistungen im Überblick!:
https://www.smart-mama.de/hebammenleistungen-im-ueberblick/ (abgerufen am 24. Juli 2019) - meinspatz.de, Dürfen Krankenhäuser Schwangere mit Wehen abweisen?:
https://www.meinspatz.de/geburt/duerfen-krankenhaeuser-schwangere-mit-wehen-abweisen (abgerufen am 24. Juli 2019) - RBB Service, Dürfen Schwangere von Kliniken abgewiesen werden:
https://www.rbb-online.de/rbbpraxis/rbb_praxis_service/gesundes-wissen/politik-und-zahlen/duerfen-schwangere-von-kliniken-abgewiesen-werden-.html (abgerufen am 08. Juli 2020) - Sozialgesetzbuch (SGB V)
§ 24d SGB V Ärztliche Betreuung und Hebammenhilfe:
https://www.sozialgesetzbuch-sgb.de/sgbv/24d.html (abgerufen am 24. Juli 2019)
§ 134a SGB V Versorgung mit Hebammenhilfe:
https://www.sozialgesetzbuch-sgb.de/sgbv/134a.html (abgerufen am 24. Juli 2019) - Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) § 630d Einwilligung:
https://www.gesetze-im-internet.de/bgb/__630d.html (abgerufen am 24. Juli 2019) - Krankenkassenzentrale, Patientenrechte in der gesetzlichen Krankenversicherung:
https://www.krankenkassenzentrale.de/wiki/patientenrechte# - Bundesgesundheitsministerium, Patientenrechte, Behandlungsfehler:
https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/praevention/patientenrechte/behandlungsfehler.html (abgerufen am 24. Juli 2019)