Der Ablauf einer natürlichen Geburt ist im Grunde immer gleich, auch wenn die einzelnen Phasen unterschiedlich lange dauern können. Welche Geburtsphasen es gibt, was dabei passiert und welche Tipps Hebammen für die einzelnen Phasen haben, folgt nun.
Die drei Geburtsphasen
Die drei* Geburtsphasen laut AWMF Leitlinie zur vaginalen Geburt sind nach dem Geburtsbeginn offiziell:
- die Eröffnungsphase (EP)
- die Austrittsphase (AP)
- die Nachgeburtsphase (NP)
Die Eröffnungsphase und die Austrittsphase lassen sich noch weiter in frühe und späte Phasen unterteilen.
* Die Übergangsphase am Ende der Eröffnungsphase galt früher als eigenständige Geburtsphase. Andere sehen auch die Pressphase als extra Phase an. Deshalb wird manchmal noch von vier Geburtsphasen gesprochen.
Die Geburtsphasen im Detail
Der Geburtsbeginn
Die Geburt beginnt offiziell erst dann, wenn du regelmäßige, schmerzhafte und zunehmend intensivere Wehen hast.
1. Eröffnungsphase – der Muttermund geht auf
Die Eröffnungsphase besteht aus der latenten und der aktiven Eröffnungsphase. In dieser Phase „öffnet“ sich der Muttermund auf 10 Zentimeter und die Gebärmutter macht sich bereit. Am Schluss bilden Gebärmutter und Vagina einen Trichter mit kräftigen Muskeln oben und dünnem, weicherem Gewebe unten.
Die gesamte Eröffnungsphase ist bei jeder Frau unterschiedlich lang. Bei Frauen, die bereits geboren haben, kann sie wenige Stunden dauern. Bei Erstgebärenden dagegen deutlich länger. 8 bis 14 Stunden sind keine Seltenheit, aber auch mehr oder weniger kommt vor.
Frühe Eröffnungsphase/Latenzphase: Dein Körper macht sich bereit
In der frühen Eröffnungsphase bereitet sich die Gebärmutter mithilfe der Eröffnungswehen auf die Geburt vor. Der Gebärmutterhals verkürzt sich Stück für Stück und wird weicher, bis er „verstrichen“ ist. Er „reift“, dann beginnt er sich zu öffnen.
Insgesamt schwankt die Dauer der Latenzphase von Frau zu Frau stark. Sie gilt dann als abgeschlossen, wenn sich der Muttermund auf etwa 4 bis 6 Zentimeter geöffnet hat. Zwischendrin kann es zu Pausen kommen, denn das Wehensystem muss sich erst einspielen und die Hormone brauchen Zeit, um zu wirken.
Manche Frauen spüren bei jeder Wehe ein starkes Ziehen im unteren Rücken, andere haben Bauchkrämpfe. Wieder anderen tut alles gleichzeitig weh oder sie merken gar nicht viel. Kurz gesagt: Wie du die Wehen empfindest, hängt von deinem Schmerzempfinden ab.
Unser Tipp, damit es zügiger vorangeht
Bewege dich oder nimm ein warmes Bad. Beides kann helfen, dass die Wehen so richtig in Gang kommen. Falls nicht, kannst du so zumindest Zeit überbrücken und dich vielleicht ein wenig entspannen.
Sollte es zum Geburtstermin oder ab SSW 37 + 0 zu einem Blasensprung kommen und der Kopf deines Babys fest im Becken sitzen, spricht ebenfalls nichts dagegen. Bist du dir unsicher, frage deine Hebamme oder im Kreißsaal nach.
Die späte/aktive Eröffnungsphase: Stück für Stück zum Ziel
Dieser Teil der Eröffnungsphase beschreibt die Zeit, die der Muttermund für die letzten 4 bis 6 Zentimeter braucht. In dieser Zeit, die mehrere Stunden oder nur kurz dauern kann, dreht sich auch endlich das Köpfchen des Kindes in die Geburtsposition (wenn es nicht gerade mit dem Po zuerst kommt).
Oft wird diese Zeit als besonders schwer empfunden. Die Wehen sind schon ziemlich stark und lassen sich schwieriger veratmen, Erholung gibt es kaum und viele Frauen sind von der Eröffnungsphase erschöpft. Zittern und/oder Übelkeit können auftreten (müssen natürlich nicht!).
In dieser zweiten Phase der Eröffnungswehen wird häufig die PDA-Methode eingesetzt, um die Schmerzen etwas zu lindern. Im Übergang zur Austrittsphase verschafft es den Gebärenden eine kurze Entspannung. Ob die PDA die Geburt verlängert oder nicht, ist derzeit nicht wissenschaftlich bewiesen, aber die Erfahrung von Geburtshelfern und Hebammen zeigt, dass je nach geburtshilflicher Situation ein Wehenunterstützung im Anschluss notwendig sein kann.
Das ist der kritische Punkt, an dem manche aufgeben wollen und über einen Kaiserschnitt nachdenken, weil sie denken, es geht nicht mehr. Aber das ist oft nicht nötig. Denn sobald die Presswehen in der nächsten Phase einsetzen, wirst du gar nichts anderes mehr wollen, als dein Kind normal zu gebären (dazu gleich mehr).
Tipps gegen das Aufgeben
Es ist ganz normal, dass du in dieser Phase an dir und deiner Kraft zweifelst. Manchmal helfen jetzt ein Stellungswechsel oder Entspannungsmaßnahmen, um wieder durchatmen zu können. Stelle dir einen Liebesfaden zwischen deinem Herzen und dem deines Kindes vor. Das hilft euch, in Verbindung zu bleiben. Ihr schafft das!
2. Austrittsphase – das Baby kommt
Die Austrittsphase – früher Austreibungsphase – besteht aus der passiven und der aktiven Austrittsphase:
Passive/latente Austrittsphase – Zeit zum Durchatmen
Jetzt ist der Muttermund 10 Zentimeter weit geöffnet, dennoch haben die Presswehen noch nicht eingesetzt. Möglicherweise scheint es dir, als wollten dein Körper und das Baby Kraft für den Endspurt sammeln. Es kann jedoch auch sein, dass du weiterhin kraftvolle Wehen hast, die jedoch noch nicht zum Pressen animieren.
Dein Baby drückt auf den Beckenboden, bereit sich nach draußen zu arbeiten. Diese Teilphase kann von wenigen Minuten bis zu einer Stunde dauern. Erst wenn es dann nicht weiterginge, würden die Geburtshelfenden Maßnahmen abwägen.
Aktive Austrittsphase – gleich hast du dein Baby im Arm
In der aktiven Austrittsphase geht es dann so richtig los. Dein Baby arbeitet sich Stück für Stück durch dein Becken. Jetzt wirst du wahrscheinlich den unstillbaren Drang verspüren, mitzuschieben. Und das darfst du auch tun. Mithilfe der richtigen Position (gern aufrecht), deinen Bauchmuskeln, der richtigen Atemtechnik und auch durchaus ein paar Urschreien, kannst du dein Baby auf seinem Weg unterstützen.
Die Presswehen sind die stärksten Wehen während der ganzen Geburt. Allerdings sorgen hilfreiche Hormone dafür, dass sie dich nicht kleinkriegen werden. Denn schließlich hast du ein Ziel vor Augen: dein Baby auf deiner Brust! Außerdem gibt es – anders als in der Eröffnungsphase – dazwischen ein paar Päuschen, damit du Luft holen kannst. Und versprochen, gleich danach ist das meiste vergessen.
Die aktive Austrittsphase dauert bei Erstgebärenden etwa 1 bis 2 Stunden. Mehrfache Mütter brauchen eventuell nur noch ein paar Presswehen, bis das Baby draußen ist.Eine gesunde Gebärmutter ist in der Lage, das Kind allein durch den Geburtskanal nach draußen zu schieben. Dabei hilft das Kind mit. Das heißt, du musst eigentlich gar nicht selbst pressen. Das geht allerdings nur, wenn du so entspannt wie möglich bist. Die richtige Atemtechnik wirkt dabei oft Wunder. Diese kannst du zum Beispiel in Hypnobirthing Kursen erlernen.
Drei Tipps für die Presswehen
Bevor du lospresst, gib deiner Hebamme kurz Zeit für Dammschutz-Maßnahmen. Sie kann dir auch zeigen, wie du die Presswehen verhecheln kannst, damit der Damm nicht übermäßig strapaziert wird. Versuche, das Köpfchen deines Kindes mit der Hand zu erfühlen. Das wird dir zusätzlich Kraft geben!
3. Nachgeburtsphase – die Geburt nach der Geburt
Das Baby ist da. Nun hast du es fast geschafft. Aber anders als du vielleicht annimmst, endet die natürliche Geburt nicht damit, dass du dein Baby in Empfang nehmen kannst. Denn schließlich muss die Plazenta geboren werden.
Kräftige, aber meist aushaltbare Nachgeburtswehen sorgen dafür, dass sich die Gebärmutter zusammenzieht, damit sich die Plazenta von der Gebärmutterwand löst. Dann wird sie durch Becken und Vagina mit einem kleinen Schwall Blut nach draußen geschoben. Auch dabei kannst du durch Pressen mithelfen.
Erst wenn Plazenta und Eihäute vollständig draußen sind, gilt die Geburt als abgeschlossen.
Wenn du dein Baby auf der Brust hast, werden dir die Nachgeburtswehen kaum etwas ausmachen.
Tipp für eine schnelle Nachgeburtsphase
Stillen (auch wenn noch nichts kommt) löst die Plazenta schneller und vermindert die Blutung. Dafür sorgt das Still- und Kuschelhormon Oxytocin.
Fazit
Auch wenn natürliche Geburten immer nach demselben Schema ablaufen, sind die verschiedenen Geburtsphasen doch unterschiedlich lang und jede Frau empfindet sie individuell anders.
Trotzdem kann es dir helfen, den groben Ablauf zu kennen. Denn so weißt du immer, wo du gerade stehst, kannst dich auf die nächste Phase einstellen und zusammen mit deinem Baby daran arbeiten, schon bald miteinander zu kuscheln. Deine Hebamme wird dich bei all dem bestmöglich begleiten.
Wenn du vorher noch Fragen hast, kannst du die Abläufe in einem Geburtsvorbereitungskurs oder bei einem Einzeltermin mit einer Hebamme besprechen.
Wir wünschen dir eine kraftvolle Geburt!
Quellen
- AMWF-Leitlinie 2021: Vaginale Geburt am Termin: https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/015-083l_S3_Vaginale-Geburt-am-Termin_2021-03.pdf (abgerufen am 17.09.2024)
- Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: Die Geburtsphasen
https://www.familienplanung.de/schwangerschaft/geburt/geburtsverlauf/geburtsphasen/
(abgerufen am 17.09.2024)