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„Du musst die Wehen veratmen“, viele Schwangere bekommen diesen Tipp vor der Geburt. Aber hast du dich auch schon gefragt, was damit eigentlich gemeint ist? Wir erklären, wie die Geburtsatmung richtig geht und warum sie sinnvoll ist.
Das Wichtigste in Kürze
- Atemtechniken helfen dir in den unterschiedlichen Phasen der Geburt, Wehen auszuhalten, Kraft zu schöpfen und dich zu beruhigen
- Theorie ist wichtig, Praxis ist noch besser: Trainiere Atemtechniken für die Geburt am besten beim Geburtsvorbereitungskurs oder zu Hause
- Eine bewusste Atmung und eine offene Mundhaltung haben sogar positiven Einfluss auf deinen Muttermund
Gleich vorweg: Geburtsschmerz lässt sich nicht einfach wegatmen. Aber er kann reduziert werden. Darüber hinaus ist die richtige Atemtechnik ein wertvolles Hilfsmittel für werdende Mamas: Sie können damit Kräfte mobilisieren, Anspannung abbauen und extra viel Sauerstoff tanken.
Warum die Atmung bei der Geburt so wichtig ist
Eine Geburt ist für deinen Körper ein Ausnahmezustand. Aufregung und Anspannung können sich auf deine Atmung auswirken. Manche Gebärende atmen zu flach und zu schnell, andere vermeiden das Atmen ganz. Dabei ist gerade die richtige Atmung bei der Geburt sehr hilfreich: Wenn du dich auf bestimmte Atemtechniken konzentrierst, kannst du Schmerzen besser aushalten, ungeahnte Kräfte entwickeln und dich und dein Baby mit ausreichend Sauerstoff versorgen. Vor allem bei einer länger andauernden Entbindung ist die richtige Atmung deine beste Energiequelle.
Der US-amerikanische Wissenschaftsjournalist James Nestor schreibt in seinem Buch Breath – Atem: Neues Wissen über die vergessene Kunst des Atmens*: „Erst seit Kurzem wissen wir, dass man mit der richtigen Atmung den Blutdruck senken, sportliche Leistungen steigern und das Nervensystem ins Gleichgewicht bringen kann.“ Es ist tatsächlich nicht allzu weit hergeholt, eine Entbindung mit einer äußerst sportlichen Leistung zu vergleichen!
Wehen veratmen kannst du lernen
Bei Geburtsvorbereitungskursen lernen Schwangere, wie sie bei der Geburt richtig atmen. Deswegen werden diese Kurse auch oft augenzwinkernd „Hechelkurse“ genannt. (Das „Hecheln“ wird heute gar nicht mehr empfohlen, da Gebärende dadurch hyperventilieren können.) Auch in speziellen Hypnobirthing-Kursen werden unter anderem Atemtechniken gelehrt, die dir bei der Geburt helfen, den Schmerz auszuhalten und Kraft zu schöpfen.
Die richtige Atmung für jede Phase der Geburt
Eine Geburt hat unterschiedliche Phasen und für jede davon gibt es von Hebammen empfohlene Atemtechniken. Beschäftige dich am besten nicht nur theoretisch damit, sondern probiere die Techniken ganz praktisch zu Hause aus. So werden sie dir vertraut und du kannst sie am Tag der Geburt besser abrufen.
So atmest du vor der Geburt und in den Wehenpausen
Die sogenannte Ruheatmung bereitet dich optimal auf die Geburt vor. Es ist ganz normal, dass du körperlich und seelisch angespannt bist. Wenn du dich voll und ganz auf deine Atmung konzentrierst, sammelst du innere Kräfte und kannst die Angst vor der Geburt leichter verscheuchen.
Bei der Ruheatmung – hier geht es noch nicht ums „Wehen veratmen“ – holst du vorzugsweise nur durch die Nase tief Luft und atmest auch nur über die Nase aus. Achte auf einen gleichbleibenden Rhythmus, bei dem du etwa doppelt so lange ausatmest wie einatmest, zum Beispiel so: Atme vier Sekunden ein und acht Sekunden aus. Es kann auch sein, dass ein etwas anderer Rhythmus besser zu dir passt. Probiere es ruhig einmal aus!
Diese Atemtechnik kannst du auch in den Wehenpausen anwenden. Denk an eine sprichwörtliche Verschnaufpause: Es hilft dir, körperlich und geistig zu entspannen, wenn du beim Ausatmen tatsächlich schnaufst, was sich etwa wie ein „pfff“ anhört.
Mit dieser Technik kannst du Wehen veratmen
Wenn du Wehen verspürst, kannst du bewusst auf die Bauchatmung setzen. Vielleicht musst du dich anfangs überwinden, in den Schmerz hinein zu atmen. Doch du wirst höchstwahrscheinlich die Erfahrung machen, dass die Bauchatmung deine Muskeln entkrampft und den Schmerz verringert. Bei der Bauchatmung solltest du tief und langsam durch die Nase in den Bauch einatmen, etwa so, als ob du einen guten Duft riechst. Die Ausatmung geschieht über den Mund und sollte zwei- bis dreimal so lange dauern wie die Einatmung. Vielleicht hilft dir die Vorstellung, dass du dabei Seifenblasen pustest.
Habe auch keine Scheu vor Geräuschen: Vielen Frauen hilft es, wenn sie beim Ausatmen Töne wie „oooh“ oder „aaah“ von sich geben. Sie „tönen“. Achte darauf, deinen Mund immer leicht offenzulassen, dann fällt dir das Tönen leichter. Und du kannst damit sogar deinen Muttermund beeinflussen! Die Hebamme Jana Friedrich schreibt auf dem Hebammenblog: „Wir Hebammen wissen um die Verbindung von Mund, Stimmritze, Zwerchfell, Beckenboden und Muttermund.“ Während das Tönen im Geburtsvorbereitungskurs manchen Frauen peinlich sei, merkten die meisten unter der Geburt doch, wie gut es tut, die Töne herauszulassen.
Übe es gerne zu Hause – die Kurzfassung:
- Atme regelmäßig und öffne den Mund leicht.
- Ziehe die Luft durch die Nase tief in den Bauch ein (denk an einen guten Duft).
- Atme durch den Mund zwei- bis dreimal so lange aus („oooh“ oder „aaah“).
In welcher Position kann man Wehen veratmen?
Wenn du bei der Geburt die Wehen veratmen möchtest, dann achte am besten auf eine nach vorne gebeugte, runde Rückenhaltung. Das fällt vielen Gebärenden leichter, wenn sie auf einem Gymnastikball sitzen, sich an einem Seil festhalten oder sich am Rücken ihres Partners abstützen. Solltest du eine stehende Position wählen, dann stelle deine Füße am besten hüftbreit auf, um mehr Platz im Becken zu schaffen.
Die Geburtsatmung bringt dein Baby auf die Welt
Wenn die Geburt fast geschafft ist, wird deine Hebamme dich an die Geburtsatmung erinnern. Du wirst höchstwahrscheinlich selbst merken, dass du bei den langen und starken Presswehen kaum zum Luftholen kommst. Deshalb solltest du vor jeder anrollenden Welle so tief wie möglich einatmen, um dann beim Mitschieben möglichst lange ausatmen zu können.
Durch die Aufregung und den Schmerz kann deine Atmung auch durcheinanderkommen. Wenn du zu stark hechelst oder zu lange nicht atmest, kann dir schwindelig werden. Vertraue daher immer den Anweisungen deiner Hebamme, die deine Atmung im Blick hat. Wenn du mit den Anweisungen nicht zurechtkommst, dann versuche auf dein Körpergefühl zu hören – du wirst unter der Geburt auch vieles instinktiv richtig machen und deine Hebamme wird verstehen, was dir gerade am besten hilft.
Wie kann ich bei der Geburt an Atemtechniken denken?
Das ist eine berechtigte Frage, denn es ist nur bedingt möglich, unter der Geburt theoretisches Wissen abzurufen. Aber die beruhigende Nachricht ist, dass du dich auf zwei Dinge verlassen kannst: Erstens atmen viele Frauen während der Entbindung ganz instinktiv richtig. Und wenn nicht, dann wird deine Hebamme dich an die richtige Atemtechnik erinnern oder sogar mit dir zusammen atmen.
Quellen
- Geburtsvorbereitung: Kurskonzepte zum Kombinieren, Verlag Georg Thieme, 2008
- Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: Geburtsschmerz und Schmerzlinderung: https://www.familienplanung.de/schwangerschaft/die-geburt/geburtsschmerz/schmerzlinderung/ (abgerufen am 15.04.2024)
- Techniker Krankenkasse: Atmen gegen Schmerz: https://www.tk.de/techniker/magazin/familie/kinderwunsch-und-schwangerschaft/atmen-gegen-schmerz-2048352 (abgerufen am 15.04.2024)
- Techniker Krankenkasse: Geburtshilfen für Ihre Position:
https://www.tk.de/techniker/gesundheit-und-medizin/schwangerschaft-und-geburt/geburtsvorbereitung-und-geburt/geburtshilfen-fuer-ihre-position-2009560 (abgerufen am 15.04.2024) - Barmer: Richtig atmen: Fünf Atemübungen gegen Stress: https://www.barmer.de/gesundheit-verstehen/psyche/psychische-gesundheit/richtig-atmen-1055858 (abgerufen am 15.04.2024)
- Hebammenblog: Die belauschte Geburt – Von wilden und wunderbaren Schreien: https://www.hebammenblog.de/die-belauschte-geburt-von-wilden-und-wunderbaren-schreien/ (abgerufen am 15.04.2024)