Monatelang fieberst du diesem einen Moment entgegen. Aber planen kannst du ihn nicht. Denn dein Baby hat einen eigenen Zeitplan. Wenn die Geburt dann kurz bevor steht, befinden sich Eltern oft in einem merkwürdigen Wartemodus. Manchmal trifft es sie aber auch ganz unverhofft. Wir haben Eltern gefragt, was sie kurz vor der Geburt ihres Babys gemacht haben und waren überrascht. Die meisten haben eine interessante Anekdote auf Lager!
Fußballabend
Hannes: Meine Freundin war schon ein paar Tage über dem Termin. Wir hatten uns schon an den Gedanken gewöhnt, dass der Kleine wohl eine Extra-Einladung bräuchte. Lisa musste fast täglich zum Arzt, aber es ging ihr den Umständen entsprechend gut. Da sie aber keine größeren Entfernungen mehr zurücklegen wollte, fand der Fußballabend bei uns statt. All unsere Freunde hatten Snacks mitgebracht und waren sehr umsichtig Lisa gegenüber. Als dann das erste Tor fiel, wurden die Jungs aber doch lauter. Nur eine blieb stumm. Als ich mich zu meiner Freundin umdrehte, sah ich, dass sie kreidebleich war. Sie guckte mich mit großen Augen an und flüsterte „meine Fruchtblase ist geplatzt“.
Ich war völlig aus dem Häuschen. Plötzlich bekam ich nichts mehr mit von dem, was um mich herum geschah. Ich griff nach unserer Kliniktasche und den Papieren, meldete uns im Krankenhaus an, mobilisierte Helfer und holte das Auto. Es dauerte keine 20 Minuten, bis wir im Krankenhaus waren. Ich war überzeugt, das Baby könnte jederzeit „rausfallen“. Im Krankenhaus wurde ich erstmal auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Wir bekamen ein nettes Zimmer, in dem wir noch eine ganze Weile warteten, bis es dann wirklich losging. Ich erfuhr sogar noch den Ausgang des Spiels per SMS. Einige Freunde waren nämlich bei uns zu Hause vor dem Fernseher geblieben. Die hatten offenbar ganz andere Prioritäten.
Scrabble mit Unterbrechungen
Rieke: Ich hatte schon seit einigen Stunden leichte Wehen und wir wussten, dass es bald losgehen würde. Meine Wehen kamen aber noch unregelmäßig und deshalb warteten wir noch zu Hause. Es war ein schöner sonniger Wintertag und ich war trotz der Aufregung ziemlich entspannt. Ich hatte nämlich ausnahmsweise mal gar nichts zu tun – außer ein Kind zu bekommen :D. Angesichts der riesigen Veränderung, die uns ins Haus stand, war alles andere gerade merkwürdig unwichtig. Meine Hebamme schien mehr Stress zu haben. Sie war nämlich noch mit einer anderen Geburt beschäftigt und hoffte wohl, dass ihre beiden Schützlinge sich zeitlich abstimmen würden.
Mein Mann war an dem Morgen noch beim Bäcker gewesen und wir hatten ein tolles letztes Frühstück als kinderloses Paar. Jetzt stromerten wir seit einer gefühlten Ewigkeit im Wohnzimmer auf und ab. Die Kliniktasche stand schon an der Tür, unsere Mäntel lagen daneben. Aber so richtig entschließen konnte sich unsere kleine Mia noch nicht.
Als das Warten uns ewig vorkam, streiften unsere Blicke das Scrabble-Spiel, dass seit Monaten in unserem Schrank verstaubte. Wir spielten eigentlich nie, aber ausgerechnet jetzt schien es mir die beste Idee der Welt zu sein, um das Warten erträglich zu machen. Und genauso war es! Wie sich herausstellte, scheint Scrabble irgendwie wehenfördernd zu sein. Im Verlauf des Spiels wurden meine Wehen stärker und ich musste immer wieder zwischendurch aufstehen und eine Wehe veratmen. Trotzdem war ich überrascht, wie kreativ ich noch war in meinem Zustand.
Die dritte Runde haben wir übrigens nicht beendet, da ging es nämlich los ins Krankenhaus. Meine Hebamme war inzwischen auch auf dem Weg. Das Scrabble-Brett haben wir aber auf dem Tisch liegen lassen. Ich war nämlich haushoch am Gewinnen und den Triumph wollte ich mir nicht nehmen lassen, auch wenn es ein paar Tage dauern würde, bis wir die Partie beendeten.
Nordseebilder
Tine: In Schwangerschaftswoche 39 betrug mein Bewegungsradius exakt die Strecke zwischen Toilette und Sofa. Dazwischen lag die Küche. Das war praktisch, so konnte ich den Gang aufs Klo gleich für das Auffüllen der Snack und Wasservorräte in meiner Sofalandschaft nutzen. Ich war eine Meisterin im Minimieren meiner Anstrengungen und mutierte zur Netflix-Serienexpertin.
Meine Wehen kamen pünktlich Mitte der 40. Schwangerschaftswoche. Beim rituellen Serienmarathon mit meinem Freund bekam ich auf einmal Rückenschmerzen. Die fühlten sich überhaupt nicht so an, wie ich mir Wehen vorstellte. Allerdings verschwanden sie regelmäßig und kamen dann wieder. Also doch Wehen? Wir warteten erstmal ab. Wirklich stark waren die Schmerzen auch nicht. Sie waren eher nervig. Ich musste nämlich regelmäßig aufstehen, ein paar Schritte gehen oder mich auf alle Viere hocken, um eine für mich angenehme Position einzunehmen. Anfänglich pausierten wir noch den Film, aber irgendwann kam ich einfach nicht mehr mit.
Ich hatte Rückenschmerzen, von denen ich nicht wusste, ob es Wehen sind, und konnte mich nicht mal mehr ablenken mit der einzigen Freizeitbeschäftigung, zu der ich seit Wochen noch in der Lage war. Wie unfair. Im dunklen Zimmer sitzen und auf Schmerzen warten wollte ich aber auch nicht. Mein Freund fand eine Dokumentation über die Nordsee. Da gab es keinen Plot und es war nicht so schlimm, wenn ich mich nicht auf den Inhalt konzentrieren konnte.
Ich kann mich noch heute, zwei Jahre später an die tollen Bilder erinnern. Eine Kamera flog über die Nordseeküste und zeigte atemberaubende Landschaften, Küsten, Wiesen und das Meer. Die Urgewalt und Schönheit der Natur hatte etwas sehr Beruhigendes, fast schon meditatives! In meiner Fantasie dauerte die Doku eine Ewigkeit, in der meine Wehen immer stärker wurden und das blaue Meer unbeeindruckt davon vor meinen Augen in schäumenden Wellen aufging.
An den Rest erinnere ich mich kaum. Ich weiß nicht, ob wir den Film zu Ende guckten oder nicht und ob er wirklich, wie in meiner Erinnerung mehrere Stunden lief. Irgendwann fuhren wir wohl mit dem Taxi ins Krankenhaus und alles nahm seinen Lauf. Am nächsten Tag hatte sich die Welt verändert und neben mir auf einem Wägelchen schlief friedlich mein winziges Baby. Wenn ich heute an die Geburt meines Sohnes denke, habe ich immer die Bilder von Wasser, Felsen und Wiesen im Kopf. Und letzten Sommer haben wir uns die Nordsee zum ersten Mal gemeinsam als Familie angeschaut. So wie wir es uns am Abend vor der Geburt von Louis vorgenommen hatten.