Wir haben den Münchner Osteopathen Georg Bretzel gefragt, warum und bei welchen Beschwerden er Osteopathie in der Schwangerschaft besonders empfiehlt. Unsere Fragen und seine Antworten folgen nun.
Lieber Georg, was genau ist Osteopathie eigentlich?
Uff, mit einer Antwort darauf könnten wir Bücher füllen … ich versuche es kurz zu umreißen:
Grundlegende Idee so ziemlich jeder Osteopathie-Richtung ist die Wahrnehmung des Gewebes, um Läsionen (Anmerkung der Redaktion: Verletzungen/Störungen) im Körper aufzuspüren. Ich ertaste solche Läsionen und setze sie in Bezug zur Anatomie, zu den Symptomen und auch zur Historie der Patientin, um am Ende ein 3D-Gesamtbild von ihr oder ihm zu erhalten. Dabei frage ich mich „Wie organisiert sich der Mensch mit all den Einschränkungen und den Symptomen zum jetzigen Zeitpunkt?“ und „wie und an welchen Stellen muss ich behandeln, um eine Neuorganisation anzustoßen?“
Die Behandlung hat mit Hokuspokus nichts zu tun, sondern mit wahnsinnig feinem und exakten Ertasten/Erspüren (Palpieren), genauen Anatomiekenntnissen und Kenntnissen der Zusammenhänge im Körper. Große Bewegungen oder übermäßiger Druck sind dabei eher kontraproduktiv. Ich gehe als Osteopath nur so weit, wie es das Gewebe zulässt.
Dabei nehme ich unter anderem Form und Dichte des Gewebes, die Spannungszüge darin und seine Beweglichkeit wahr.
Die Osteopathie kennt an sich keine Techniken. Sondern es wird immer versucht, sich möglichst gut ans Gewebe anzunähern. Man kann über die Gewebespannung sehr gut erfühlen, in welcher Achse der Körper „an einem Behandlungspunkt eingestellt“ werden möchte, um wieder loslassen zu können.
Der Osteopath kann nur behandeln, was er auch wahrnehmen kann – er hört dem Körper zu.
Was kann die Osteopathie für Schwangere leisten?
Osteopathie für Schwangere ist eben genau das: eine sanfte, risikoarme Behandlung. Die Herausforderung ist, dass man bei Schwangeren viele wichtige Bereiche aussparen muss und je nach Fortschritt der Schwangerschaft nur noch eingeschränkt arbeiten kann. Vielfach sind die Lagen, die zur Einstellung des Gewebes notwendig wären, nicht mehr leicht einnehmbar. Da muss man kreativ sein in der Zusammenarbeit mit der Frau.
Trotzdem gehören Schwangere zu meinen Lieblingspatientinnen. Denn trotz der eingeschränkten und herausfordernden Behandlung macht es Spaß, mit werdenden Müttern zusammenzuarbeiten.
Wo siehst du die Vorteile dieser Behandlungsmethode in der Schwangerschaft?
Ein Osteopath kann nur das behandeln, was er durch genaues Zuhören/Ertasten wahrnehmen kann. Er nimmt also nur das auf, was von der Patientin selbst kommt. Behandelt wird sanft und nicht über die anatomischen Grenzen hinaus.
Ich halte die Osteopathie deshalb für eine fantastische – weil nebenwirkungsarme – Therapie für Schwangere.
Bei welchen Beschwerden können sich Schwangere an einen Osteopathen wenden?
Theoretisch ist die Liste lang, ich fasse mich lieber kurz. Hier sind – alphabetisch geordnet – ein paar Beispiele von Beschwerden in der Schwangerschaft, die mit Osteopathie gemildert werden könnten:
- Atembeschwerden
- Blähungen
- Erschöpfung
- Harninkontinenz (Blasenschwäche)
- Kopfschmerzen
- Müdigkeit
- Muskuläre Verspannungen oder Gelenkschmerzen
- Psychosomatische Beschwerden
- Rückenschmerzen
- Schlafstörungen
- Schlechte Durchblutung
- Sodbrennen
- Symphysenschmerzen und Symphysenlockerung
- Verdauungsbeschwerden wie Verstopfung
- …
Und wie sind deine persönlichen Erfahrungen: Mit welchen Beschwerden suchen Schwangere am häufigsten deine Praxis auf?
Viele Schwangere kommen mit Rückenschmerzen oder Gesäßschmerzen, dicht gefolgt von den Klassikern Kribbeln in den Händen, Nacken- und/oder Kopfschmerzen, oder Gelenkschmerzen.
Worauf achtest du in der Behandlung, was ist dir wichtig?
Ich lege Wert auf eine genaue Anamnese und vorherige ärztliche Abklärung der Beschwerden, möglichst mit bildgebenden Verfahren. Eine gute Kommunikation mit der Patientin ist mir ebenso wichtig, wie eine genaue und konzentrierte Behandlung.
Ist Osteopathie in der Schwangerschaft sicher? Gibt es Risiken?
Ich halte eine osteopathische Behandlung durch die sanfte Arbeit und die oben genannten Grundprinzipien der Behandlung für absolut nebenwirkungs- und risikoarm. Natürlich weiß ich nicht, wie andere Osteopathen/Osteopathinnen arbeiten, ob beispielsweise andere Werkzeuge in die Therapie eingebaut oder Techniken verwendet werden, die Risiken beinhalten können.
Was kostet eine Osteopathie-Sitzung? Was muss ich selbst zahlen?
Das hängt von der Region ab. Ich kann nur für München sprechen, hier fangen die Behandlungen für einen voll ausgebildeten Osteopathen pro Sitzung bei 100 Euro an. Was von der Kasse übernommen wird, hängt vom Vertrag ab. Private Versicherungen übernehmen die Kosten meist, sofern die Rechnung nach GebüH (Gebührenverzeichnis für Heilpraktiker) ausgestellt wird.
Anmerkung der Redaktion: Immer mehr gesetzliche Krankenkasse übernehmen zumindest einen Teil der für Osteopathie anfallenden Kosten. Du kannst bei Interesse in den Leistungskatalog deiner Kasse schauen oder einfach dort anrufen und nachfragen.
Über Georg Bretzel
Georg Bretzel absolvierte eine Ausbildung zum Osteopathen an der Holistéa München-Ismaning und zuvor eine Ausbildung in angewandter Muskelfunktionsdiagnostik, Sporternährung und funktionellem Training an der TU München. Er sammelte Erfahrung in der Behandlung von Erwachsenen, Schwangeren, Kindern und Babys in einer gynäkologischen Praxis sowie in zwei weiteren Praxen in München, bevor er sich mit seiner eigenen Praxis im Münchner Westen (Fürstenried) selbständig machte. In seiner eigenen Praxis behandelt er Erwachsene, Kinder und Babys mit sanfter osteopathischer Ganzkörpertherapie. Weitere Therapieschwerpunkte in Hypnose nach M.E.G. und funktioneller Trainingstherapie.