Das Fruchtwasser erfüllt wichtige Aufgaben für das Ungeborene. Gibt es zu wenig Fruchtwasser, kann das problematisch werden. Woran man einen Mangel an Fruchtwasser erkennt und was die Ursachen sein könnten, erfährst du hier.
Das Wichtigste in Kürze
- Zu wenig Fruchtwasser kann verschiedene Ursachen haben, darunter eine Plazentainsuffizienz oder Fehlbildungen der fetalen Nieren.
- Oft wird auch keine Ursache gefunden.
- Eine verminderte Fruchtwassermenge kann zu Verzögerungen der Lungenreife und körperlichen Entwicklung des Babys führen.
- In ausgeprägten Fällen wird eine zeitnahe Einleitung oder Entbindung per Kaiserschnitt nötig.
- Die Prognose ist abhängig vom Ausmaß und dem Zeitpunkt des Fruchtwassermangels.
Zu wenig Fruchtwasser – warum?
Bei etwa 3 bis 4 Prozent aller Schwangeren wird ein Mangel an Fruchtwasser (Amnion) in der Fruchtblase festgestellt. Das Fachwort dafür lautet Oligohydramnion oder Oligohydramnie. Das Gegenteil davon, also zu viel Fruchtwasser, nennt man in der Medizin Polyhydramnion.
Warum bei einigen Frauen zu wenig Fruchtwasser festgestellt wird, kann verschiedene Ursachen haben. Die Fruchtwassermenge nimmt im Verlauf der Schwangerschaft stetig zu und hat ihren Höhepunkt in der 37. bis 38. SSW mit etwa 1.000 ml. Danach wird kein neues Fruchtwasser mehr gebildet, sondern vom Baby nur noch verwertet, sodass die Menge bis zur Geburt wieder abnimmt. Wird der errechnete Geburtstermin überschritten, nimmt der Fruchtwasservorrat entsprechend immer weiter ab. Übertragung ist also eine typische Ursache für wenig Fruchtwasser. Ebenso wie ein vorzeitiger Blasensprung oder Blasenriss.
Weitere Ursachen für zu wenig Fruchtwasser:
- Funktionsstörungen der Plazenta (Plazentainsuffizienz) oder Präeklampsie, die eine chronische Unterversorgung und ein verzögertes Wachstum des Fötus verursachen (z.B. durch chronischen Bluthochdruck)
- Fehlbildungen der Nieren oder Harnwege des Fötus, sodass das von ihm aufgenommene Fruchtwasser nicht oder nicht ausreichend verarbeitet und/oder ausgeschieden werden kann
- Chromosomenanomalien des Fötus
- die Einnahme bestimmter Medikamente durch die Mutter (z.B. ACE-Hemmer)
- bestimmte Infektionen (z.B. Zytomegalie)
- das sogenannte Zwillingstransfusionssyndrom, bei dem Störungen der Gefäße bei einem Zwilling für zu viel und beim anderen für zu wenig Fruchtwasser sorgen
Oft werden jedoch auch gar keine Ursachen gefunden. Dann spricht man von einem „idiopathischen“ Oligohydramnion.
Mögliche Komplikationen durch zu wenig Fruchtwasser
Ist es gefährlich, wenn zu wenig Fruchtwasser da ist? Das kommt stark auf das Ausmaß an. Das Fruchtwasser hat wichtige Funktionen für den Fötus. Es bietet ihm nicht nur Platz und Schutz vor Stößen von außen. Es dient unter anderem auch der wichtigen Entwicklung von Organen, wie der Lunge und dem Verdauungstrakt. Ist zu wenig Fruchtwasser da, kann das zu Verzögerungen der Lungenreife sowie der körperlichen Entwicklung führen.
Bildet die Flüssigkeit zudem keinen ausreichenden Puffer für das Baby zum Wachsen, können Skelett- und Gesichtsdeformitäten die Folge sein.
Ein weiteres Problem einer zu geringen Fruchtwassermenge: Die Nabelschnur ist nicht ausreichend vor Kompressionen geschützt. Das heißt, es kann bereits während der Schwangerschaft immer wieder zu Herztonabfällen (Dezelerationen) im CTG kommen. Am problematischsten wird es aber unter der Geburt, wenn die Wehen zusätzlich den Druck auf die Nabelschnur erhöhen. Daher ist bei einer sehr geringen Fruchtwassermenge meist ein Kaiserschnitt angeraten. Zudem kann es sein, dass in schweren Fällen von Fruchtwassermangel eine zeitnahe Geburtseinleitung nötig wird.
Je nach Ursache und Ausmaß kann es sein, dass das Neugeborene zunächst intensivmedizinisch betreut werden muss. Die Geburt muss deshalb in einer spezialisierten Klinik mit Neonatologie stattfinden. Die Entbindung in einem Geburtshaus oder eine Hausgeburt wären nicht möglich.
Symptome und Diagnose
Eine verminderte Fruchtwassermenge wird oft zufällig bei einer der Vorsorgeuntersuchungen im 2. Trimester entdeckt. Manchmal geben dem Arzt oder der Hebamme aber auch ein ungewöhnlich kleiner Babybauch oder ein unerwartet niedriger Fundusstand für die Schwangerschaftswoche erste Hinweise auf Probleme mit der Fruchtwassermenge.
Auch verminderte Kindsbewegungen können auf eine geringe Fruchtwassermenge hindeuten. Der Flüssigkeitsmangel in der Fruchtblase sorgt nämlich dafür, dass die Gebärmutter nicht ausreichend gedehnt wird. Das Baby hat dann nur wenig Bewegungsfreiheit. Das kann es ihm auch erschweren, sich rechtzeitig in die geburtsgünstige Kopflage zu drehen. Stattdessen verbleibt es oftmals in der Beckenendlage.
Steht eine Oligohydramnie in Verdacht, wird der Frauenarzt oder die Frauenärztin die Fruchtwassermenge per Ultraschall untersuchen, zum Beispiel mithilfe des Fruchtwasserindex. Dieser gibt Aufschluss darüber, ob ein Mangel besteht und wenn ja, wie stark dieser ist.
Wie geht es weiter?
Wird ein Oligohydramnion festgestellt, wird im ersten Schritt auf Ursachensuche gegangen. Kann ein unbemerkter Blasensprung ausgeschlossen werden, folgen verschiedene Tests, um die Gesundheit von Mutter und Baby zu überprüfen. Dazu gehören neben einem Bluttest der Mutter auch detaillierte Ultraschalluntersuchungen (Dopplersonografie und Feindiagnostik), bei dem die körperliche Entwicklung des Babys und seine Versorgung genau untersucht werden.
Unter Umständen können weitere invasive Tests infrage kommen, wie eine Fruchtwasserpunktion. Über die Risiken solcher Untersuchungen werden die werdenden Eltern im Vorfeld genau aufgeklärt. Sie können die Untersuchungen auch verweigern.
Therapie des Oligohydramnions: Kann man etwas dagegen tun?
Wird eine therapierbare Ursache gefunden, wird umgehend eine entsprechende Behandlung eingeleitet. Die Schwangerschaft gilt ab sofort als Risikoschwangerschaft und wird nun engmaschig überwacht. Besonderes Interesse gilt dabei der Versorgung des Babys und der Entwicklung der Fruchtwassermenge.
Es gibt die Möglichkeit, die Fruchtblase von außen über eine dünne Nadel mit einer Kochsalzlösung aufzufüllen (Amnioinfusion). Das dient jedoch vor allem einer besseren Darstellbarkeit im Ultraschall. Bisher ist nicht eindeutig belegt, dass das Baby von einer solchen Maßnahme profitiert. Gleiches gilt für eine erhöhte Trinkmenge der Mutter. In Studien konnte zwar so die Fruchtwassermenge gesteigert werden, jedoch ist nicht klar, ob das Vorteile fürs Kind bringt.
Wird der Mangel an Fruchtwasser zu groß, wird der Arzt oder die Ärztin je nach Reife des Kindes abwägen, ob er oder sie eine baldige Einleitung der Geburt oder eine Entbindung per Kaiserschnitt empfiehlt.
Fazit zum Oligohydramnion
Keine Frage, jede Komplikation in der Schwangerschaft kann Ängste schüren. So auch ein Mangel an Fruchtwasser. Wichtig für dich zu wissen ist aber, dass oft auch keine schwerwiegende Erkrankung oder Fehlbildung als Ursache gefunden wird. Ist der Fruchtwassermangel nur gering ausgeprägt, ist die Prognose in der Regel günstig und die Wahrscheinlichkeit groß, dass das Baby gesund zur Welt kommt.
Durch die gute medizinische Vorsorge hierzulande werden Probleme und Risiken in der Regel frühzeitig erkannt. Bei deinem Frauenarzt oder deiner Frauenärztin sowie Hebamme bist du in den besten Händen. Hast du Fragen und Sorgen, dann sprich ganz offen mit ihnen darüber. Sie können dir alles ganz genau erklären und dich ganz bestimmt beruhigen.
Hast du noch Fragen zum Oligohydramnion? Dann stell sie uns in den Kommentaren.
Quellen
- C. Ahrendt: Hebammenkunde. Lehrbuch für Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett und Beruf. Erschienen im Hippokrates Verlag, 4. vollst. akt. Auflage, 2007.
- A. T. Dulay: Oligohydramnion. https://www.msdmanuals.com/de-de/profi/gyn%C3%A4kologie-und-geburtshilfe/schwangerschaftsanomalien/oligohydramnion (abgerufen am 20.12.2022)
- DocCheck Flexikon: Oligohydramnion. https://flexikon.doccheck.com/de/Oligohydramnion (abgerufen am 20.12.2022)
- MedLexi: Oligohydramion. https://medlexi.de/Oligohydramnion (abgerufen am 20.12.2022)
- Cochrane Kompakt: Flüssigkeitsaufnahme durch die Mutter, um die Menge des Fruchtwassers zu erhöhen, wenn diese zu gering (Oligohydramnios) oder normal ist. https://www.cochrane.org/de/CD000134/PREG_flussigkeitsaufnahme-durch-die-mutter-um-die-menge-des-fruchtwassers-zu-erhohen-wenn-diese-zu-gering (abgerufen am 20.12.2022)
- S. Schrey-Petersen, A. Tauscher: Oligohydramnion. In: T. Fehm et al (Hrsg.): Blickdiagnosen Gynäkologie Geburtshilfe. Erschienen im Elsevier Verlag, 1. Auflage 2022.
- Bild: 550754155 Maria Sbytova – stock.adobe.com