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Pädagogin stellt klar: “Eltern sollten es als Kompliment sehen, wenn ihr Kind sie anschreit.”

Pädagogin stellt klar: “Eltern sollten es als Kompliment sehen, wenn ihr Kind sie anschreit.”
Warum Eltern vieles richtig machen, wenn ihr Kind sie gelegentlich anschreit. / Bild © MIA Studio, Adobe Stock

Kommt dir das bekannt vor? Du spielst ganz entspannt mit deinem Kind und plötzlich macht es Klick und es schreit dich aus heiterem Himmel lautstark an. Wenn du wissen willst, warum solche Situationen nichts mit Respektlosigkeit zu tun haben, solltest du jetzt weiterlesen!

“Schreit mein Kind mich an, weil es mich nicht respektiert?”

Die Erziehung des eigenen Kindes ist eine der großen Herausforderungen im Leben von Eltern – und gleichzeitig auch die größte Chance für gemeinsames Wachstum und Entwicklung. 

Wenn dein Kind dich wie im Beispiel oben plötzlich anschreit, obwohl du ihm gegenüber liebevoll und zugewandt bist, vermutest du vielleicht, dass du in der Erziehung generell zu wenig Grenzen setzt oder zu nachgiebig bist. Vielleicht sorgst du dich auch darum, dass dein Kind dich nicht genug respektieren könnte. 

Was, wenn wir dir jetzt sagen, dass sogar genau das Gegenteil der Fall ist?

Denn aus Sicht der modernen Entwicklungspsychologie und Bindungsforschung ist es so, dass ein Kind starke Emotionen oder Stress eher bei Menschen entlädt, bei denen es sich geliebt, gesehen und sicher fühlt.

Eure tiefe Bindung gibt deinem Kind also wahrscheinlich so viel Vertrauen und Sicherheit, dass es keine Angst um deine Liebe hat, wenn es seiner Wut auch mal Luft macht.

Da geht einem als Elternteil doch so richtig das Herz auf, oder?

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Wirst du gelegentlich angeschrien, machst du vieles richtig

Dein Kind ist also nicht bewusst respektlos, wenn es dich gelegentlich mal anschreit. Die Tiefe eurer Bindung lässt das Kind spüren, dass sein innerer Stress bei dir Raum bekommt. Würde es sich bei dir nicht sicher fühlen, würde es sich diese Form der Verletzlichkeit vor dir vermutlich gar nicht erst erlauben.

Nach der Bindungstheorie von Psychoanalytiker John Bowlby habt ihr sehr wahrscheinlich ein sicheres Bindungsmuster zueinander. Auch die Bestsellerautorinnen Nora Imlau (“Mein Familienkompass”) und Nicola Schmidt (“Erziehen ohne Schimpfen”, “Artgerecht”) arbeiteten in ihren erfolgreichen Familienratgebern ähnliches heraus.

Sie alle kommen zu dem Schluss: Schreit dein Kind dich gelegentlich mal an, machst du vieles richtig. Mit diesem gelegentlichen Anschreien macht dir dein Kind sozusagen ein Kompliment!

Was hinter dem Anschreien sonst noch stecken könnte …

Wenn dein Kind zwischen 1,5 und 6 Jahre alt ist, aktuell wenig kompromissbereit oder schneller gereizt und du zurzeit häufiger das Wort “Nein!” von ihm hörst, ist es außerdem sehr wahrscheinlich, dass es gerade inmitten der wundervoll-turbulenten Autonomiephase (früher Trotzphase) steckt.

An dieser Stelle heißen wir dich herzlich willkommen in der Welt der intensiven Gefühlsausbrüche!

So anstrengend die Autonomiephase des Kindes für Eltern auch ist, für die kindliche Entwicklung ist sie unglaublich wichtig: Dein Kind hat in letzter Zeit vermutlich erkannt, dass es eigene Bedürfnisse und Wünsche hat, die sich von denen anderer Menschen (und vor allem von denen seiner Bindungspersonen, in der Regel die Eltern) unterscheiden können.

Diese Abgrenzung ist unglaublich wichtig für seine Ich-Bildung und Willensentwicklung. Durch sie kann sich seine Selbstwahrnehmung und sein Selbstbewusstsein Stück für Stück ausbilden. Die Autonomiephase ermöglicht deinem Kind, Vertrauen in sich selbst, seine Fähigkeiten und Interessen zu entwickeln. Das wiederum stärkt es für alle Herausforderungen und Möglichkeiten, die ihm im weiteren Verlauf seiner Kindheit und Jugend noch begegnen werden.

Im besten Fall kann es sich dadurch zu einem emotional gesunden und selbstbestimmten Menschen entwickeln.

Und letztlich ist es doch genau das, was du dir für dein Kind wünschst, oder?

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Wie du mit dem Kompliment jetzt umgehen kannst

Auch wenn du jetzt weißt, was hinter dem gelegentlichen Anschreien deines Kindes stecken könnte, bleibt natürlich das unschöne Gefühl in der Situation. 

Was wir dir empfehlen können: 

  • Du weißt jetzt, dass dein Kind dich mit dem Anschreien nicht persönlich angreifen möchte. Schreibe dir diese Erkenntnis am besten für dich auf und bewahre sie irgendwo auf, wo du sie regelmäßig siehst. Vielleicht kann sie dir in stressigen Situationen mit deinem Kind demnächst die Kraft schenken, die du brauchst. 
  • Regelmäßige Pausen sowie ausreichend Me-Time und Paarmomente können dir dabei helfen, dich selbst von innen heraus zu stabilisieren, um die gelegentliche Schreierei deines Kindes beim nächsten Mal mit mehr Gelassenheit zu sehen.
  • Trotz allem darfst und solltest du deinem Kind liebevoll Grenzen setzen, wenn du es nicht mehr aushältst, angeschrien zu werden oder wenn für dich eine Grenze erreicht ist.

Bezogen auf unser Beispiel, könnte das in etwa so aussehen:

“Maxi, ich möchte nicht, dass du mich weiter anschreist, das ist sehr unangenehm und ist mir auch zu laut. Wenn du nicht mit mir darüber sprechen möchtest, wie es in der Kita war, musst du das auch nicht tun. Bist du gerade wütend?”

Wenn das Kind das bejaht, kannst du ihm eine Alternative aus 2 Optionen anbieten:

“Was könnte dir helfen, damit du das wütende Gefühl herauslassen kannst? Möchtest du im Park toben oder möchtest du von mir in den Arm genommen werden?”

Fazit

Wenn dein Kind dich gelegentlich mal anschreit, ist das eigentlich ein verstecktes Kompliment an dich als Elternteil. Offensichtlich habt ihr eine sichere Bindung und du gibst deinem Kind dadurch den Raum, seinen eigenen Willen und seine Gefühle bei dir herauszulassen. Vielleicht kann dir dieses Bewusstsein demnächst helfen, die Schreierei des Kindes mit etwas mehr Gelassenheit zu betrachten.

Mach dir das versteckte Kompliment deines Kindes gerne noch einmal bewusst. Du machst das wundervoll. Habe Vertrauen in dich selbst und sei verdammt noch mal stolz auf dich!

Wenn dein Kind nicht mehr nur gelegentlich, sondern überwiegend am Tag richtig geladen ist und dich über einen ungewöhnlich langen Zeitraum hinweg immer wieder anschreit, steckt vielleicht ein emotionales Thema dahinter. Dann kann dir dieser Artikel vielleicht weiterhelfen. Dort findest du wichtige Anlaufstellen und Telefonnummern, an die du dich wenden kannst, wenn du dir Unterstützung und eine professionelle Einschätzung der Situation wünschst.

cb7c89b887c942629ad2ab6363cb2d75 - Pädagogin stellt klar: “Eltern sollten es als Kompliment sehen, wenn ihr Kind sie anschreit.”

Quellen

Veröffentlicht von Leonie Illerhues

Leonie war nach ihrem Studium der Heilpädagogik lange im Schulhort-, Kita- und Krippenbereich tätig. Erziehungs- und Entwicklungsthemen im Baby- und Kleinkindalter sind deshalb ihr Steckenpferd. Seit 2022 ergänzt Leonie unser Team mit diesem Schwerpunkt.

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