Es kommt nur selten vor, dass Frauen in der Schwangerschaft zu viel Fruchtwasser haben. Meistens bleiben die Gründe dafür unbekannt und die Kinder kommen gesund zur Welt. Manchmal gibt die erhöhte Fruchtwassermenge jedoch Hinweise darauf, dass etwas nicht stimmt.
Das Wichtigste in Kürze
- Liegt die Fruchtwassermenge über dem normalen Niveau, spricht man von einem Polyhydramnion oder Hydramnion.
- Symptome dafür sind unter anderem Atembeschwerden und ein „zu großer“ Bauch für die Schwangerschaftswoche.
- Ursache ist häufig ein unentdeckter Diabetes der Mutter. Aber auch Fehlbildungen des Kindes können verantwortlich sein.
- Ein Hoffnungsschimmer: In den meisten Fällen findet man keine schwerwiegenden Ursachen und die Babys kommen gesund zur Welt.
- Der Arzt / die Ärztin können die Fruchtwassermenge per Ultraschall bestimmen.
- Eine erhöhte Fruchtwassermenge kann zu Komplikationen vor und während der Geburt führen.
- Findet man keine therapierbare Ursache, kann die Fruchtwassermenge nur kurzzeitig über eine Drainage reguliert werden.
Was bedeutet „zu viel Fruchtwasser“?
Das Fruchtwasser hat wichtige Funktionen. Es schützt dein Baby etwa vor Stößen, bietet ihm Bewegungsfreiheit, unterstützt die Entwicklung seiner Organe und sorgt dafür, dass die Nabelschnur unter seinem Gewicht nicht zusammengedrückt wird. Die Menge des Fruchtwassers nimmt im Laufe der Schwangerschaft zu und kann variieren. In der 20. SSW schwimmt dein Baby etwa in 350 bis 500 ml Flüssigkeit, in der 38. SSW können es über 1.000 ml sein. Danach nimmt die Fruchtwassermenge bis zur Geburt langsam wieder ab.
Aber es gibt auch Fälle, in denen die Fruchtwassermenge außergewöhnlich hoch ist. Wenn sie im letzten Trimester etwa die 2.000 ml Marke überschreitet. In der Medizin spricht man dann von einem Polyhydramnion oder einfach Hydramnion. Das kommt allerdings selten vor. Man geht davon aus, dass es nur in etwa 1 bis 2 Prozent der Schwangerschaften auftritt.
Sollte stattdessen weniger Fruchtwasser als normal vorhanden sein, spricht man von einem Oligohydramnion. Diese Abweichung kommt etwas häufiger vor als das Hydramnion.
Ursachen: Woher kommt das viele Fruchtwasser?
Im Grunde gibt es zwei Erklärungen, warum es zum Polyhydramnion kommt. Entweder wird zu viel Fruchtwasser produziert, dann läge die Ursache aufseiten der Mutter. Oder das Fruchtwasser wird vom Fötus nicht ausreichend verwertet. Dann kämen Fehlbildungen oder Erkrankungen in Betracht. Meistens (etwa in 60 Prozent der Fälle) findet man aber keine schwerwiegenden Ursachen und die Babys kommen gesund zur Welt. Man spricht dann von einer „idiopathischen“ Form des Polyhydramnions.
Mütterliche Ursache
Zu den häufigsten Verursachern zählt ein unentdeckter oder unbehandelter Diabetes. Deshalb gehört der Test auf einen Schwangerschaftsdiabetes zu den ersten Maßnahmen, wenn der Arzt / die Ärztin eine zu hohe Fruchtwassermenge feststellt. Bei zu viel Fruchtwasser trotz negativem Zuckertest können auch Infektionen, wie Toxoplasmose oder Listeriose, verantwortlich sein, ebenso wie eine Rhesus-Unverträglichkeit. Auch bestimmte Fehlbildungen der Plazenta können sich auf die Fruchtwassermenge auswirken.
Fetale Ursachen
Kann das Fruchtwasser vom Kind nicht richtig resorbiert werden, liegen relativ häufig Fehlbildungen an der Speiseröhre oder dem Magen-Darm-Trakt vor. Aber auch andere Fehlentwicklungen, bestimmte Erkrankungen oder Chromosomenstörungen werden als mögliche Ursachen von zu viel Fruchtwasser ausgemacht.
Bei eineiigen Mehrlingsschwangerschaften kann es zum sogenannten Transfusionssyndrom kommen. Dabei sorgt eine Störung der Gefäße dafür, dass der eine zu viel, der andere zu wenig Fruchtwasser hat.
Mögliche Komplikationen von zu viel Fruchtwasser
Ein Zuviel an Fruchtwasser kann (!) nicht nur auf gesundheitliche Probleme hinweisen. Leider wird es oft auch selbst zum Problem. Eine abnorme Fruchtwassermenge überdehnt die Gebärmutter und macht sie noch größer und praller, als sie in der Schwangerschaft ohnehin schon ist. Häufig leiden die betroffenen Schwangeren deshalb unter Atemproblemen und Verdauungsstörungen. Außerdem kommt es bei ihnen häufiger zum Vena-cava-Syndrom und Beinödemen.
Das Baby kostet seine Bewegungsfreiheit in der Fruchtblase dafür voll aus. Das kann aber dazu führen, dass seine Herztöne für die Hebamme oder das CTG nur schwer zu registrieren sind. Zudem kann es sich durch das große Platzangebot in eine ungünstige Kindslage begeben, die unter Umständen einen Kaiserschnitt nötig machen.
Weiterhin besteht die Gefahr von vorzeitigen Wehen und einem vorzeitigen Blasensprung, wenn die Fruchthülle dem Druck nicht mehr standhalten kann. Im Zuge dessen steigt auch das Risiko für einen Nabelschnurvorfall und eine Plazentaablösung. Sollte die Fruchtblase zu Geburtsbeginn noch geschlossen sein, werden die Geburtshelfer sie deshalb mit einer dünnen Kanüle kontrolliert öffnen und das Fruchtwasser langsam ablassen.
Durch die Überdehnung der Gebärmutter kann es sein, dass sie es nicht schafft, sich selbstständig stark genug zusammenzuziehen. Eine Wehenschwäche und Nachgeburtsblutungen können die Folgen sein. Um die Geburt voranzubringen und die Blutungen zu stoppen, braucht es dann einen Wehentropf.
Diagnose: Wie stellt man zu viel Fruchtwasser fest?
Häufig wird das Hydramnion bei einer Vorsorgeuntersuchung im Laufe des 2. Trimesters erstmalig festgestellt. Manchmal sind es aber auch bestimmte Beschwerden der Schwangeren, die Hebamme und Arzt / Ärztin aufhören lassen. Dazu zählen:
- Atembeschwerden
- vorzeitige Wehen
- ein großer, praller, druckempfindlicher Bauch
- Unterleibsschmerzen
Einen ersten Hinweis auf eine zu große Fruchtwassermenge liefert der Hebamme und dem Frauenarzt / der Frauenärztin meist schon der Bauchumfang und der Fundusstand. Entsprechen beide Faktoren nicht der Schwangerschaftswoche, ist der Bauch also „zu groß“ und der Fundusstand zu hoch, wird als Nächstes die Fruchtwassermenge bestimmt. Das geschieht per Ultraschalluntersuchung, zum Beispiel über den sogenannten Fruchtwasserindex. Dafür wird die Fruchthöhle in vier Quadranten aufgeteilt und jeweils ihr tiefstes Depot gemessen. Ergeben alle vier Werte zusammen mehr als 20 cm, wird die Diagnose Polyhydramnion gestellt.
Ist die Fruchtwassermenge stark erhöht, sieht es im Ultraschall oft so aus, als würde das Baby noch einmal in die Fruchthöhle passen
Wie geht es dann weiter?
An erster Stelle gilt es herauszufinden, was die Ursachen für die hohe Fruchtwassermenge sind. Dafür wird meist ein Zuckertest veranlasst, um einen Diabetes auszuschließen. Mögliche Infektionen können per Bluttest (STORCH Serologie) nachgewiesen werden. Um Fehlbildungen, eine Chromosomenstörung oder eine Erkrankung des Babys ausschließen zu können, kommen weitere feindiagnostische Untersuchungen und eventuell eine Fruchtwasserpunktion infrage.
Die Schwangerschaft wird ab sofort engmaschiger überwacht. Wegen des erhöhten Risikos einer Frühgeburt wird dabei insbesondere deine Zervixlänge genau beobachtet.
Behandlung: Was tun bei Polyhydramnion?
Werden therapierbare Ursachen für das Polyhydramnion gefunden, werden diese behandelt. Die Chancen stehen gut, dass sich die Fruchtwassermenge dann bald normalisiert. Findet man keine Ursachen oder kann sie zum aktuellen Zeitpunkt nicht beheben, kann man außer einer genauen Beobachtung des Verlaufs der Schwangerschaft leider nicht viel mehr tun.
Bereitet die erhöhte Fruchtwassermenge der werdenden Mutter extreme Probleme, kann eventuell eine Fruchtwasserdrainage gemacht werden. Über eine dünne Kanüle wird dabei Fruchtwasser abgelassen. Deine Frauenarzt / deine Frauenärztin kann dich dazu beraten.
Fazit zum Polyhydramnion
Auch, wenn die Diagnose auf zu viel Fruchtwasser beunruhigend sein kann, denke bitte daran, dass in den überwiegenden Fällen keine schwerwiegende Ursache gefunden wird und die Kinder gesund zur Welt kommen. Bei deiner Ärztin / deinem Arzt und deiner Hebamme des Vertrauens bist du in professionellen Händen. Es ist wichtig, dass du dich stets gut informiert und beraten fühlst. Machst du dir große Sorgen, dann scheue dich nicht, mit ihnen ausführlich darüber zu sprechen.
Hast du noch Fragen zum Thema Polyhydramnion oder hast bereits Erfahrungen dazu? Dann schreib uns gern einen Kommentar.
Quellen
- J. Büchel, G. Manegold-Brauer: Das Polyhydramnion. Differentialdiagnostik und Therapie. https://www.researchgate.net/profile/Gwendolin-Manegold-Brauer/publication/286624156_Differentialdiagnostik_des_Polyhydramnions/links/566c5fee08ae1a797e3d8178/Differentialdiagnostik-des-Polyhydramnions.pdf (abgerufen am 15.12.2022)
- L. Raio: Das Fruchtwasser. Erschienen in: Frauenheilkunde aktuell 04/19. https://frauenheilkunde-aktuell.ch/de/fachmagazin/ausgaben/2019-04/das-fruchtwasser/index-Kopie.php (abgerufen am 15.12.2022)
- C. Ahrendt: Hebammenkunde. Lehrbuch für Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett und Beruf. Erschienen im Hippokrates Verlag, 4. vollst. akt. Auflage, 2007.
- P.-W. Husslein, H. Schneider, K. T. M. Schneider: Die Geburtshilfe. Erschienen im Springer Verlag. 3. Auflage, 2007.
- A. T. Dulay: Fruchtwasseranomalien. https://www.msdmanuals.com/de-de/heim/gesundheitsprobleme-von-frauen/schwangerschaftskomplikationen/fruchtwasseranomalien (abgerufen am 15.12.2022)
- Bild: 110733495 BazziBa – stock.adobe.com